Seit Beginn der aktuellen Bundesligasaison 2018/19 dürfen die Klubs virtuelle Bandenwerbung einsetzen. Für das Fachmagazin STADIONWELT fasst Sportmarketing-Experte Sebastian Kube den Status quo der Entwicklung in Deutschland zusammen.
Im März 2018 hat die DFL die Freigabe zum Einsatz virtueller Bandenwerbung erteilt. Wie bewerten Sie die Situation ein Jahr danach?
Sebastian Kube: Das Vermarktungspotenzial wird nach unseren Erkenntnissen bisher nicht vollständig ausgeschöpft. Aktuell kommt in weniger als zehn Prozent aller Bundesligaspiele virtuelle Bandenwerbung zum Einsatz.
Nielsen Sports hatte ein kumuliertes Vermarktungspotenzial von über 60 Mio. Euro ermittelt. Wie kam es zu dieser Schätzung – und wie ordnen Sie den aktuellen Status hinsichtlich der Erhebung ein?
Kube: Auf Basis unserer damaligen Analyse für die Saison 2016/17 lag das kumulierte Vermarktungspotenzial für die 18 Bundesligaklubs bei über 60 Millionen Euro. Dieser Wert bedingt sich insgesamt durch die Anzahl der ausgestrahlten Bundesligaspiele im Ausland und gilt für die Ausgestaltung des TV-Vertrags im aktuellen Zyklus. Daher ist das Potenzial auch weiterhin in dieser Größenordnung einzuordnen.
Während virtuelle Bandenwerbung in anderen Ländern und Ligen bereits gang und gäbe ist, hinkt Deutschland etwas hinterher. Was sind die Gründe dafür?
Kube: Nach wie vor verfügen nicht alle Vereine über die notwendigen personellen und finanziellen Ressourcen, um ein internationales Vertriebsteam aufzustellen und im Ausland das Vermarktungspotenzial ausschöpfen zu können. Ein solider Business Case ist somit aktuell selten gegeben. Außerdem ist die individuelle Potenzialbewertung aus Klub-Perspektive relevant, um Preis- und Produktstrategien zu entwickeln.
Darüber hinaus hat die DFL nach wie vor lediglich die Hardware-Lösung von Supponor lizenziert – das bedeutet ein hohes Invest in die technische Infrastruktur. Erst wenn weitere Anbieter zugelassen werden und sich Softwarelösungen etablieren, wird meiner Meinung nach Bewegung in den Markt kommen.
Was sind möglicherweise Hindernisse – welche Unwägbarkeiten gibt es?
Kube: Nielsen Sports misst, wie viele Spiele der Bundesliga global gezeigt werden. Die Auswahl sowie Anzahl der Spiele wechselt stark pro Spieltag und die Ankündigung der TV-Lizenznehmer, welche Spiele auf welchem Sender übertragen werden, erfolgt sehr kurzfristig, teilweise sogar gar nicht. Das macht es für die Vereine und Vermarkter schwierig, die Bandenplätze einzelner Spiele gezielt zu vermarkten.
Der aktuelle DFL-Medienvertrag garantiert nämlich nicht, dass alle Spiele jedes Klubs international ausgestrahlt werden. Unter anderem kann es hier je nach Popularität und sportlichem Erfolg eines Vereins zu Abweichungen kommen. Auch die Anstoßzeit spielt bei der Spielauswahl der Lizenznehmer im Ausland eine Rolle und ist ausschlaggebend für die vermarktungsrelevante Reichweite.
Da die Anzahl der Live-Übertragungen für die Klubs nur bedingt planbar ist, ist es umso wichtiger zu wissen, welchen Onscreen-Minutenpreis pro Markt ein Klub in der Vermarktung virtueller Bandenwerbung ansetzen kann. Nur so kann beispielsweise ein variables Vergütungsmodell marktgerecht aufgestellt werden.
Lohnt sich der Schritt für kleinere Klubs, die weniger finanzstark sind, überhaupt?
Kube: Bevor die Klubs sich Gedanken über ihre Strukturen und weitere Internationalisierungsschritte machen, sollten sie wissen, wie groß das individuelle Vermarktungspotenzial im Kontext virtueller Werbung für sie speziell ist.
Vereinzelt kann es sich für kleinere Klubs durchaus lohnen, wenn sie virtuelle Werbung bei Spielen gegen international bekannte und populäre Vereine wie den FC Bayern München oder Borussia Dortmund einsetzen. In diesen Fällen gelingt die Vermarktung am ehesten in Kooperation beispielsweise mit dem Gegner oder einem Partner mit internationalem Vertriebsnetzwerk.
Wie wird sich die Werbung im Stadion in der nächsten Zeit entwickeln?
Kube: Unsere Analysen in dem Bereich sind natürlich nicht auf den Fußball beschränkt, sondern auch auf andere Sportarten adaptierbar. Andere Sportarten und Ligen weltweit setzen sich längst mit dem Thema auseinander und greifen bereits auf unsere Expertise zurück.
Wenn sich der Einsatz der virtuellen Werbung etabliert, kann ich mir vorstellen, dass die Werbung im Stadion langfristig wieder sehr viel nationaler bis regionaler wird, ausgerichtet auf den nationalen Zuschauer beziehungsweise den Zuschauer vor Ort. Sponsoren mit internationaler Ausrichtung könnten sich stärker auf die Einbindung innerhalb der TV-Feeds mittels virtueller Werbung konzentrieren und dadurch ihre Zielgruppe mit geringeren Streuverlusten erreichen.