Der E-Sport-Markt wächst stetig und die Nachfrage nach datenbasierter Beratung ist immens, was Michael Heina, Head of Esports Europe bei Nielsen Sports, u. a. an seinen Flugmeilen ablesen kann. Bei zahlreichen Branchenkongressen ist Heina ein gefragter Experte. Im Gespräch mit Handelsblatt.com beschreibt er die Besonderheiten des Marktes.
Herr Heina, wenn ich mich als Werbetreibender im Sport-Sponsoring engagieren möchte, muss ich mir heute zwangsläufig Gedanken über E-Sports machen?
Wer als Sponsoringentscheider erst jetzt anfängt, sich mit E-Sport zu beschäftigen, hat, und das muss man leider so deutlich sagen, in den vergangenen Jahren geschlafen. Denn in den letzten zwei, drei Jahren ist E-Sport als lohnenswerte Sponsoringplattform auch bis ins traditionelle Sportbusiness vorgedrungen und wurde auch für nicht-endemische Brands quasi marktreif.
Einige große Unternehmen, auch ein Dax-Konzern wie Daimler, sind bereits auf den Zug aufgesprungen. Sind die großen Deals schon alle durch?
Im Gegenteil. Gerade weil die großen Player erst in den letzten Monaten in den Markt eingetreten sind, ist der Appetit der Sponsoring-Geber angeregt. Die Sponsoring-Abteilungen aufseiten der Rechteinhaber haben immer schon gute Arbeit gemacht. Sie arbeiten sehr intelligent und prüfen, welche Aktivierungsmöglichkeiten und Sichtbarkeiten sie möglichen Sponsoren bieten können.
Was können League of Legends, Counterstrike oder Dota, was der Fußball nicht kann?
Das Sponsoring ist oftmals innovativer als im traditionellen Sport, weil es bei E-Sportübertragungen die klassischen Werbemittel wie Bandenwerbung oder Cam Carpets nicht gibt und insgesamt wenig Werbefläche auf dem Bildschirm zur Verfügung steht. Daher müssen die Rechtehalter findig sein, um ihren Partnern eine bestmögliche Visibilität bei der Zielgruppe zu bieten und diese Rechte entsprechend zu paketieren.
Ist denn ein steigendes Sponsoreninteresse bezifferbar?
Im Jahr 2014 gab es lediglich eine niedrige zweistellige Anzahl an Sponsoringdeals im E-Sport, 2018 waren es über 740. Das zeigt die Größenverhältnisse des Wachstums. Die Rechtehalter verstehen, welche Werte sie haben und vermarkten sie mit steigender Professionalität. Das treibt natürlich die Preise, denn Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft. Wenn sich mehrere Unternehmen aus einer Branche um einen Partnerslot bewerben, ist es aus Rechtehalter-Sicht sinnvoll, den Sponsor auszuwählen, der am besten zur eigenen Marke passt – aber dabei auch mit einem vernünftigen Budget aufschlägt.
Und was ist mit dem Ertrag?
Nielsen Sports hat 2015 den Wert der Sichtbarkeit im E-Sportsponsoring analysiert. Die Fragestellung dahinter war, welchen Wirkungsgrad das eingesetzte Budget im Vergleich zu anderen Bereichen, in diesem Fall etwa dem Fußball, erzielt. Der Bestwert des Return on Investment (ROI) im E-Sport lag damals bei 52:1. Ein Sponsor hat also den 52-fachen Werbeäquivalenzwert im Verhältnis zu seinem Investment erhalten. Im klassischen Sport beträgt das Verhältnis 3:1 bis 5:1. Aktuell würde ich das Verhältnis im E-Sport auf Basis unserer Daten immer noch auf 10:1 bis 20:1 schätzen.
Welcher Mechanismus liegt der Entwicklung zugrunde – was ändert sich?
Der Medienkonsum verändert sich vor allem in der jüngeren Zielgruppe. Alles, was mit einem Live-Ergebnis verbunden ist, schaut man sich auch live an. Deswegen sind vor allem die großen E-Sportevents weltweit sehr erfolgreich und bewegen Tausende Fans in die großen Multifunktionsarenen.
Ist denn jeder, der ein Gamepad in der Hand hält automatisch E-Sport-Fan?
[pullquote]Innerhalb der Zielgruppe muss man zwischen E-Sportfans und Gamern unterscheiden.
Gamern ist der passive Konsum von E-Sport nicht wichtig – sie spielen einfach sehr gerne selbst. Das machen auch die E-Sport-Fans gerne, sie schauen aber auch sehr gerne anderen beim (professionellen) Spielen zu.
Gamer sind eher männlich und gebildeter als der durchschnittliche Bundesbürger. E-Sportfans als Teilgruppe haben im Vergleich dazu einen noch höheren Anteil an Männern, auch wenn es deutliche Unterschiede zwischen einzelnen Spieletiteln gibt. Insgesamt ist das Publikum sehr technikaffin und verfügt über einen hohen Bildungsabschluss. Die E-Sportfans sind allerdings gar nicht so jung wie oft vermutet. Das Durchschnittsalter der Fans in den großen Märkten beträgt rund 25 Jahre. Es sind demnach eher Studenten und junge Berufstätige als Schüler.
Was muss man als Sponsor tun, um bei dieser als unerreichbar geltenden Zielgruppe zu landen?
Auf der einen Seite ist die Zielgruppe gegenüber Sponsoren und deren Aktivitäten sehr positiv eingestellt. Das ist im klassischen Sport größtenteils anders und vielfach etwas zurückhaltender. Das E-Sportpublikum bevorzugt aktuell noch die sogenannten endemischen Marken. Das ist natürlich auch eine Sache der Gewöhnung, da es über Jahre hinweg vor allem endemische Partner wie zum Beispiel Intel gegeben hat. Glaubhaftes Sponsoring von non-endemischen Marken, wie in jüngster Zeit national und international gesehen, bewirkt aber in der Zielgruppe eine höhere Akzeptanz derselben.
Kann ein solcher Vertrauensvorschuss überhaupt bewusst beschworen werden?
Wer ein erfolgreiches Sponsoring anstrebt, muss glaubwürdige und auf die adressierte Zielgruppe zugeschnittene Aktivitäten anbieten. Es heißt immer, wenn man als Sponsor in den E-Sport einsteigt, muss man es richtig machen. Das muss man aber im Fußball und in anderen Sportarten genauso. Wer nur seine Markenbotschaft an eine Bande wirft, hat damit mittel- bis langfristig keinen Erfolg. Ein erfolgreiches Sponsoring im E-Sport zeichnet sich durch kreative Aktivierungen und einen für die Fans geschaffenen Mehrwert aus.